yarncamp 2016

Am ersten Wochenende im Oktober fand das Yarncamp 2016 in Frankurt  im Haus des Buches statt. Ich war einen Tag da und bin immer noch sehr begeistert von dieser Form des kreativen Austauschs von Wollverrückten. Die gute und schlechte Nachricht zuerst: Bei einem Yarncamp gibt es keine Wolle und auch sonst nix zu kaufen. Das fand ich super angesichts der vielen Wollmessen in diesem, bei denen ich doch mehr Geld ausgeben habe, als ich wollte. Und das Yarncamp konnte man nur mit Eintrittskarte besuchen und die Teilnehmerzahl war begrenzt – im Vorfeld musste man sehr genau aufpassen, wann und wie man eine Eintrittskarte bekommen konnte.20161001_114522

Samstag morgen ging es schon um 9 h los. Für jeden Teilnehmer gab es eine unfassbar prall gefüllte goodie-bag mit Stricknadeln, diverser Wolle, Accessoirs und Strickheften. Um 10 h ging es mit einer kurzen Begrüßungsrunde los und dann begann das eigentliche Yarncamp. Das spannende an diesem Yarncamp ist nämlich, dass es ein Barcamp ist – d. h., es gibt keine Vorträge oder Referenten, die im Vorfeld gebucht sind. Jeder Teilnehmer, der Lust hat, etwas über eine bestimmte Fähigkeit rund um Stricken zu erzählen hat das angekündigt und per Handzeichen hat man sich gemeldet, wenn einen das Thema interessiert hat. So kamen relativ zügig um die 30 Themen zustande, die in vier Slots parallel über den Tag verteilt stattfanden.

Die große Pinwand mit den Themen (hier ein Ausschnitt) war dann auch immer der wichtigste Orientierungspunkt, um zu überlegen, wo man als nächstes hinwollte. Ich selbst wollte eigentlich was über zweifarbiges Patent anbieten, um mich eben auch einzubringen, aber Tanja Steinbach hat den Kurs kurz vor mir vorgeschlagen und so konnte ich ganz entspannt den Tag als reiner Teilnehmer zu verbringen.

Die Themenvielfalt war immens, auf der offiziellen Yarncamp-Seite könnt ihr die einzelnen Angebote nachlesen.

Ich hab morgens bei Torsten Becker reingeschaut, er hat den Blog realmenknitpink und war als „Botschafter“ für Prym unterwegs, die zum Ende des Jahres völlig neue Stricknadeln auf den Markt bringen. Ich hatte über die Nadeln schon bei meinem Blog über die H & H berichtet, war jetzt aber gespannt, auch die Rundstricknadeln ausprobieren zu dürfen, die es auf der Messe noch nicht zu testen gab.

Mir gefallen die Nadeln schon ganz gut, auch wenn ich sie selbst eher nicht verwenden werde, da sie mir zu langsam sind – bin halt ein überzeugter Metallstricker. Für Anfänger oder Menschen, denen schon öfter mal die Maschen von der Nadel rutschen sind sie ebenso eine sinnvolle Investition wie für Menschen, die vielleicht Gelenkprobleme beim Stricken haben, denn die Nadeln sind unglaublich leicht.

prym

 

 

Danach war ich das erste Mal fasziniert – von Doerthe und ihrem Bericht über selbstgenerierende Muster.

Man strickt zweifarbig, aber ohne Anleitung oder Chart, einfach nach einer Regel. Die von Doerthe vorgestellte Regel lautete: Wenn unter den drei Maschen, die unter der Masche sind, die du gerade stricken willst, eine Masche (aber wirklich nur EINE ! Masche) in der Kontrastfarbe ist, dann strickst du auch die folgende Masche in der Konstrastfarbe, ansonsten bleibst du bei der Hintergrundfarbe.kurs

Das ist alles. Die Regel ist eigentlich einfach, doch löste sie im Plenum sofort Hormonschübe und Schnappatmung aus: Keine weitere Anleitung? Kein Chart? Eine sehr sympathische und erfahrene Blogger-Kollegin, die ich nicht näher outen will, konnte es gar nicht fassen. Und sie hat recht: So hatte bisher noch niemand von uns gestrickt. Dabei überzeugte uns die Arbeit, die Doerthe mitgebracht hatte, auf ganzer Linie: ihr Loop, den sie nach dieser Regel gestrickt hatte, sah fantastisch, cool und sortiert aus, auch wenn sich das Muster halb-wild über die Maschen verteilte:

frontback

 

 

Da Doerthe die Regel beharrlich auch über die Runden des Loops anwendet, sehen Vorder- und Rückseite unterschiedlich aus. Wir waren alle geflasht – das war wirklich Un-erhört und cool!

Die Inspiration für diese Art des Strickens hatte Doerthe aus dem – leider vergriffenen – Buch  „Unexpected Knitting“ von Debbie New.

Anschließend war ich bei Sophia, die Einblicke in Doubleface Knitting vermittelte. Technisch finde ich das ja schon spannend, hab aber einfach noch nie das passende Projekt gefunden. Sophia hat das aber super erklärt und mir wieder Lust gemacht, mich mit der Technik näher zu beschäftigen. Dann kurz Mittagspause und zu einem Sockenworkshop. Ich bin ja ziemlich geübt im Sockenstricken und dennoch habe ich hier noch was Neues gehört über eine andere Technik der verkürzten Reihen – also auch wieder Inspiration mitgenommen.

Danach habe ich bei Alexa das Spinnen mit der Handspindel ausprobiert und war sehr erleichtert: 1. habe ich es glaube ich zügig begriffen und 2. hat es mich gott sei dank nicht angefixt – ich hab echt schon  zu wenig Zeit zum Stricken:-)spindeln

Dann war ich bei Mari, die über die Grundlagen des zweifarbigen Strickens erzählte. Ich stricke ja durchaus auch mehrfarbig, wechsel aber immer den Faden. Mari hat die verschiedenen Möglichkeiten zusammengefasst, wie man mit zwei Fäden gleichzeitig strickt und die Vorteile erwähnt. Ich werde mich jetzt mal selbst zwingen, es zu probieren.

Als letztes an dem tag war ich bei einem ravelry Vortrag, bei dem die Platform und ihre Möglichkeiten näher vorgestellt wurden. Ich nutze ravelry bisher nur zur Inspiration und um mir Anleitungen zu kaufen, die Möglichkeiten, die eigenen Projekte abzuspeichern fand ich aber wirklich überzeugend und gerade rückblickend zu sehen, was habe ich wann in welchem Jahr gemacht und wie habe ich was damals gelöst ist – wenn man diesen Teil von ravelry gut pflegt – sicher eine echte Bereicherung.

In dieser session kam auch das Thema auf, was man denn vielleicht noch verbessern könnte an ravelry und ich hab naiv mal in die Runde geschmissen, dass ich mir ein facelifting für die Seite wünschen würde. Da wurde ich dann von der Sessionleiterin aber sofort bombardiert, dass sie lieber mehr Funktionen will als ein facelifting (wobei ich nicht davon sprach, dass das auf Kosten von mehr Funktionen gehen sollte) und eine andere ravelry Poweruserin sprang sofort bei, dass sie gern darauf verzichtet, wenn dann hinter ein paar Dinge nicht mehr wie vorher funktionieren (auch das hatte ich selber nicht gefordert, wurde aber sofort damit vermischt). konzentrationIch habe dann noch versucht, auszuführen, dass ravelry eine Platform ist, in der ästhetische Handarbeiten diskutiert werden und ich mir einfach deshalb wünschen würde, dass auch die Seite ästhetisch in unserem Jahrhundert ankäme, aber die Leiterin ließ mich nicht mal mehr ausreden, sondern fuhr mir über den Mund und machte weiter. Gelernt: Kritische Anmerkungen sind nicht erwünscht. Ich kam mir zeitweise wie in der Diskussion mit Apple-Fanboys vor – hier im weiblichen Gegenentwurf der strickenden ravelry Heroine. 🙂  Gerechterweise muss ich hinzufügen, dass die Leiterin ein paar Minuten später auch selbstkritisch und in meine Richtung anmerkte, dass sie wohl wirklich ravelry einfach subjektiv toll findet. Ich habs gar nicht krumm genommen, eigentlich freue ich mich ja immer, wenn Menschen ihre Leidenschaften verteidigen, ich hatte nur einfach nicht damit gerechnet 🙂

 

So ging der Tag zu Ende und ich musste schnell in den Zug nach Köln und war schon ein bißchen traurig, den Folgetag nicht dabei sein zu können. Zwei Dinge muss ich noch erwähnen: Ein weiterer krasser Gegenpol zu den Wollmessen, zu denen ich auch sehr gern gehe: Das Catering. Was die Veranstalter da auf die Beine gestellt haben, war auch kulinarisch extrem kreativ und lecker. Und – das Allerwichtigste: Diese coole Veranstaltung wird wirklich quasi nebenher von vier coolen Wollverrückten organisiert, die selber stricken, bloggen und super neugierig sind auf alles rund ums Thema Handarbeiten.

Julia Himbert, ist Redakteurin und betreut im yarncamp Team u.a. die facebookseite. Lutz Staake gehört zu den wenigen strickenden und bloggenden Männern im Land und führt seinen interessanten Blog unter dem Titel www.maleknitting.de. Sara Käfer betreut im yarncamp Team die webseite und last but not least Rebekka Badenheuer-May, die ihr vielleicht als Bloggerin von www.queens-handmade.de kennt.team

Ein ganz großes Lob an die vier – das Yarncamp ist eine super Alternative zu den vielen Wollmessen, weil es eben mal nicht ums Material, sondern ums Handwerk geht. Soviel inspirierenden Input habe ich noch nie vorher bekommen – und den ganzen Tag entspannt mit vielen anderen „Wollkloppis“ zu verbringen, fand ich auch höchst amüsant. Für nächstes Jahr fest eingeplant!

 

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Author: Thorsten Duit

Ich stricke seit über 40 Jahren und kann mich dabei wunderbar entspannen. Am liebsten stricke ich vor dem Fernseher – netflix ist mein bester Freund. Allerdings finde ich auch sehr spannend, in Kontakt zu treten mit anderen Designern und Wollsüchtigen – die Lust, mit den eigenen Händen etwas ganz persönliches aufwendig zu schaffen, verbindet uns. Ich gebe auch sehr gern Kurse übers Stricken, weil es ganz oft nur ein bißchen Hilfe braucht, sich auch an schwierigere Teile heranzuwagen. Und in der Gruppe macht es einfach mehr Spass.

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11 Kommentare

  1. Toll! Das nächste mal will ich unbedingt mit – und dieses Ding von Doete… das fasziniert mich – das sollten wir mal bei einem Weinchen auf die Nadeln bringen!

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  2. Schön, dass dir das Prinzip der Selbstgenerierenden Muster so gut gefallen hat und danke für die treffende Beschreibung der Zuschauerreaktionen – die Panik über das Fehlen des Rapports war auch für mich als Vortragende sehr unterhaltsam anzusehen.
    Übrigens war „Doete“ ein Tippfehler beim Sessionplan abtippen, ich habe ganze 2 Buchstaben mehr…

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    • Hi Doerthe, danke für den Hinweis: Hab es korrigiert 🙂

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  3. 🙂 Ja, Dörthe hat uns alle ins Staunen versetzt – einfach mal ohne Rapport stricken, daran muss man/frau sich erst mal gewöhnen! Wenn ich geahnt hätte, dass Du das 2-farbige Patent auch eingeplant hattest, hätte ich Dir gerne den Vortritt gelassen – oder wir hätten es zu zweit machen können! Die Nachfrage war so groß, dass ich kaum nachkam mit den Erklärungen.

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    • Gute Idee, ihr macht das nächstes Jahr zusammen, dann kann ich hoffentlich dabei sein.

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  4. Besser hätte ich das yarncamp auch nicht beschreiben können.
    Das Highlight für mich war ebenfalls die Session mit Doerthe. Und weil ich das unbedingt für mich selbst weiterverfolgen möchte, habe ich mir direkt am Samstag Abend das Buch bei ama gekauft. Einige wenige Exemplare sind noch erhältlich.

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  5. Hallo Thorsten,

    Du sprichst mir mit raverly aus dem Herzen. Auch ich würde mir eine Verschönerung der Seite so dringend wünschen… die Funktionen sind toll, aber weil mir die Oberfläche nicht gefällt, breche ich in regelmäßigen Abständen das Stöbern wieder ab.

    Viele Grüße und vielen Dank für deinen schönen Bericht:)

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  6. Das klingt ja nach einem sehr interessanten Wochenende. Da würde ich auch gerne mal hin. Fasziniert bin ich von den selbst generierenden Mustern von Doerthe, muss ich unbedingt mal testen.
    LG
    Ingrid

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  7. Der Wahnsinn, da treffe ich mich heute mit einem Freund in Berlin, der wiederum einen Freund aus Hamburg im Schlepptau hat, und bekomme von deinem Blog berichtet… und siehe da: Wir kennen uns ja sogar auch!
    Wie schön klein die Welt doch ist!
    Ganz liebe Grüße von der Doubleface-Sophia 😉

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    • Hallo Sophia,
      verrückt – die Welt ist echt klein. Aber es heißt ja, dass jeder jeden kennt durch 7 andere – bei Strickern reichen schon 2 🙂
      Liebe Grüße zurück,
      Thorsten

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      • Hallo torsten

        leider kann ich auf diese Art keinen Anhang ransetzen. Unter deiner eigenen E-Mail-Adresse könnte ich das tun.

        Eine kurze antwort unter
        der-maschenpit@gmx.net könnte ich Dir was zukommen lassen.

        Gruß Peter Kozma

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